Hier spricht Ihr Kapitän

24. April 2023

Die Fähigkeit, die eigene Kommunikation auf das jeweilige Publikum abzustimmen, gehört zu den wichtigsten Qualitäten eines Finanzcoachs.

Das Problem dabei: Wir haben uns in unserem Alltag so sehr an Fachbegriffe und Finanzjargon gewöhnt, dass wir manchmal gar nicht merken, wenn unsere Mandanten uns nicht verstehen.
Diese Informationsasymmetrie kann es dem Gegenüber schwer machen, das, was wir ihnen erzählen, mit ihren persönlichen Erfahrungen in Verbindung zu bringen.

 

Die Flugplanung

Vor Kurzem hatte ich auf einer Familienhochzeit ein langes und angenehmes Gespräch mit meinem Neffen, der seit ein paar Jahren Pilot bei einer Linienfluggesellschaft ist. Nachdem er mir von ein paar so amüsanten wie haarsträubenden Erlebnissen aus seinem Berufsalltag berichtet hatte, kamen wir auf das Thema Finanzen zu sprechen. Etwas reumütig gestand er „ich finde das alles so verwirrend; ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll oder wem ich vertrauen kann.“ Kommt Dir das bekannt vor?

„Keine Sorge“, sagte ich daraufhin zu meinem Neffen, „das ist viel einfacher, als du denkst.“ Ich empfahl ihm, das Ganze strukturiert anzugehen. „Eigentlich“, so erklärte ich, „funktioniert Finanzplanung ähnlich wie dein Beruf.“

„Tatsächlich? Wie?“, fragte er.

„Nun, was machst du als Erstes, bevor du das Flugzeug startest?“

„Einen Flugplan einreichen.“

„Und was steht auf dem Flugplan?“, fragte ich.

„Alle Informationen wie Start- und Zielflughafen, die geplante Route, die Anzahl der Passagiere, der benötigte Treibstoff, mögliche Gefahren, das Wetter, Notfallmaßnahmen und so weiter.“

„Genau! Ein Finanzplan ist nichts anderes“, erklärte ich. „Du musst wissen, von wo aus du startest, wo du hinwillst, wie viel Zeit du hast und wie viel Treibstoff – beziehungsweise Ersparnisse – du dafür benötigst. Und natürlich brauchst du einen Notfallplan, falls der Flug nicht so verläuft wie vorgesehen. Wenn du mit einem guten Finanzplaner zusammenarbeitest, wird er sich die Zeit nehmen, um deine Ziele zu verstehen und einen Plan zu erstellen, der optimal auf diese Ziele abgestimmt ist.“

Die Kontrolle der Kraftstoffanzeige

„Und jetzt lass uns mal über dein Büro sprechen, also über das Cockpit. Wenn ich durch die Cockpittür schaue und all die Instrumente sehe, dann bekomme ich jedes Mal Angst – so viele Informationen, die du verarbeiten musst. Woher weißt du überhaupt, worauf du achten musst? Du hast einen Kompass, einen Höhenmesser, einen Fluglagenanzeiger und die Fluggeschwindigkeitsanzeige. Ich weiß, dass alle diese Instrumente wichtig sind, aber welches ist das wichtigste?“, fragte ich ihn.

„Die Tankanzeige“, erwiderte er ohne zu zögern. „Abgesehen vom Start und der Landung verbringen wir die meiste Arbeit während eines Fluges mit Treibstoffberechnungen und Notfallplanungen, denn die meiste Zeit fliegt der Autopilot das Flugzeug. Aber natürlich müssen wir hin und wieder etwas anpassen.“

„Und wieder: Genau wie in der Finanzplanung“, sagte ich. „Du kannst den schönsten Flug aller Zeiten planen, aber das Flugzeug fliegt nirgendwohin, wenn du nicht genug Treibstoff hast, um das Ziel auch zu erreichen und auf unerwartete Notfälle zu reagieren. Aber das Wichtigste – genau wie beim Fliegen – ist, dass genügend Treibstoff im Tank ist. Auf die Finanzplanung übertragen bedeutet das, regelmäßig Geld zurückzulegen. Doch selbst wenn du sehr diszipliniert sparst, wirst du deine Ziele wahrscheinlich nicht erreichen, ohne einen Teil deiner Ersparnisse am Aktienmarkt zu investieren.“

Der Umgang mit Turbulenzen

„Aber Aktien sind doch eher mit Vorsicht zu genießen, oder?“, warf er ein. „Man kann schließlich viel Geld verlieren, wenn die Aktienkurse einbrechen.“

„Ja und nein“, antwortete ich. „Auch hier gibt es wieder eine sehr gute Analogie zum Fliegen.“ Jeden Tag fliegst du Menschen um die Welt. Was würdest du bei einer Umfrage unter den Passagieren an Bord wohl herausfinden? Das einige von ihnen Flugangst haben. Und vermutlich nicht vor dem Fliegen selbst, sondern vor einem Absturz.“

„Stimmt.“

„Und während des Fluges kommt es manchmal zu Turbulenzen. Menschen mit Flugangst sehen dann natürlich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.  Aber sind Turbulenzen für dich als Pilot ein Problem?

„Nein, Turbulenzen gehören dazu. Meistens verliert man nicht viel Höhe, es fühlt sich nur so an – ein bisschen wie bei einer Achterbahnfahrt. Außerdem sind moderne Flugzeuge selbst für extreme Turbulenzen ausgelegt“, erwiderte er.

„Und was sagst du den Leuten?“

„Bitte bleiben Sie angeschnallt, solange das Anschnallzeichen leuchtet.“

„Warum?“

„Weil diejenigen, die sich nicht anschnallen, am Ende sich selbst oder andere verletzen könnten.“

Vertrauen Sie Ihrem Piloten?

„Damit hast du schon wieder genau das beschrieben, was man als Anleger tun würde! Auf dem Weg zum Ziel kommt man gelegentlich in Turbulenzen. Im Finanzjargon spricht man von Volatilität, und als Finanzexperten wissen wir, dass wir mit Volatilität rechnen und leben müssen. Aber für unerfahrene Anleger ist es beängstigend und bestätigt ihre schlimmsten Befürchtungen, vor allem in Bezug auf Kurseinbrüche. Auch hier lautet die Antwort: Bleiben Sie auf Ihrem Platz sitzen. Das Einzige, was dann hilft, ist eine beruhigende Stimme aus den Lautsprechern:

Hier spricht Ihr Kapitän: Wir durchqueren gerade ein paar Turbulenzen, es könnte daher vorübergehend etwas unruhig werden. Wir bitten Sie deshalb, angeschnallt sitzen zu bleiben, solange die Anschnallzeichen eingeschaltet sind.“

Das Gleiche gilt, wenn es an den Märkten unruhig wird – Ruhe und Erfahrung machen den Unterschied.

 

Fazit

Wenn man sich die persönliche Finanzplanung wie einen beruflichen Alltag vorstellt, kann man den Prozess leichter nachvollziehen.
Einfach ausgedrückt: Entwickle einen Plan, mach den Tank voll, kümmere dich nicht um Turbulenzen – die gehören dazu – und arbeite mit jemandem zusammen, der Ruhe ausstrahlt und weiß, wie wichtig regelmäßige Kommunikation ist. Darum geht‘s. Man muss nicht alles allein machen – wir fliegen das Flugzeug ja auch nicht selbst in den Urlaub.